Sonntag, 19. Juli 2015

Ein Ball und ein Abschied

20. Hesinde 1017 BF

Uns erwarten sanfte Klänge von Saiteninstrumenten. Das Licht unzähliger Kerzen bricht sich in den Kristallen der Lichter und auf dem Schmuck der Gäste. Letztere sind zahlreich erschienen, gekleidet in edle Stoffe. Ausladende Kleider, breite Hüte und gepuderte Hochsteckfrisuren wohin das Auge blickt. Gerade eben meint man eine Rahjagweihte in einem betörend durchscheinenden Gewand gesehen zu haben aber so gleich ist sie aus den Augen verschwunden. Männer stützen sich auf Gehstöcke, Frauen fächeln sich Luft mit Seidenfächern zu und verteilen so auch den Duft Ihres Parfum, der allgegenwärtig ist.
Ich bin sichtlich nervös, doch Kaldrim versucht mich zu beruhigen und erzählt mir eine Anekdote, wie er eine der Damen mal sehr schockiert hat.
Ich greife beherzt zu, als ein Diener mit einem Tablett mit Getränken mich passiert und erfrischend rinnt der fruchtige Perlwein meine Kehle hinunter. Schon fühle ich mich ein klein wenig besser. Ich stelle mir so manch einen der Anwesenden vor, wie er in einigen Situationen, die wir erlebt haben, wohl reagieren würden und kichere leise vor mich hin.

Ein zweites Glas des guten Weines ist geleert und langsam entspanne ich mich. Plötzlich sehe ich Leonardo, dem alle Anwesenden einen weiten Raum lassen, ehe er beginnt alle Anwesenden zu begrüßen. Schräg hinter ihm kann ich eine kleine, aber recht hübsche Dame ausmachen und gebe Kaldrim einen Schubs "Sieh doch, dahinten. Sie ist keine Zwergin, dennoch recht klein und zierlich, vielleicht hast du Glück" grinse ich meinen Freund verschwörerisch an und lausche dann den Worten des Gastgebers. Dieser hat mich schon fixiert und als er endet und allen einen famosen Abend gewünscht hat, schreitet er zielstrebig auf mich zu. Alle Gäste starren uns an, während sie für ihn eine Gasse bilden und Kaldrim nickt mir aufmunternd zu "Genieße den Abend, petit fleur" sagt er noch, ehe Leonardo mir einen Kuss auf die Wange haucht, mich begrüßt und danach Kaldrim förmlich willkommen heißt. "Ich darf doch annehmen, dass ich dieses reizende Geschöpf ihnen rauben darf?" meint er noch zu Kaldrim, der sich kurz verbeugt und nur sagt "Selbstverständlich, die Wüstenblume gehört ganz euch" und zwinkert uns beiden zu, eher er sich selbst einen Weg Richtung der kleinen hübschen Dame bahnt.

Kaum dass Leonardo beginnt mit mir zu tanzen, starren uns alle an und man hört es tuscheln und wispern und ich bin für einen Moment etwas ganz Besonderes. Das weite Kleid raschelt zu meinen Bewegungen, niemand bemerkt, dass ich einarmig bin und ich sehe die anerkennenden, fast neidvollen, Blicke der Damen um uns herum und langsam vergesse ich nach und nach alles um mich herum.
Die anderen fangen nach und nach auch an zu tanzen, allen voraus hat Kaldrim es geschafft, die kleine Dame zu umgarnen und fällt ebenfalls in unseren Rhythmus und wir verbringen alle zusammen einen wundervollen Abend, mit Tanz, Musik, Perlwein und lustigen Anekdoten.

Als es schon tiefe Nacht ist, verschwinden Leonardo und ich nach oben und verabschieden uns ein letztes Mal voneinander. Ehe ich gehen will, bittet er mich zu warten und geht kurz aus dem Zimmer. Er kehrt mit einer Kiste zurück, stellt sie vor mich und meint nur traurig. "Dies soll dir gehören, als letztes Geschenk. Nimm es an, das Kleid kannst du meinetwegen hier lassen, wenn du es nicht willst."
Ich öffne die Kiste und finde darin eine saubere Pluderhose, eine schöne Bluse und eine Schärpe, dazu Reitstiefel und einen Turban, alles passend farblich abgestimmt. "Wem immer ich mein Herz zukünftig schenke, so wird es sicherlich keine davon tragen. Doch du bist wie sie, sie hätte es sicherlich so gewollt. Ich danke dir für alles Yamira, du hast mir und vor allem meiner Tochter das Leben gerettet."

Mit einem tränenüberströmten "Leb wohl" verabschieden wir uns, nachdem ich die Kleidung für den Ball zurücklasse und die Tulamidenkleidung dankbar annehme.
Kaldrim ist schon verschwunden und ich kehre zurück zu Perborat. Ehe ich ins Haus gehe, statte ich Soraya einen Besuch ab, streichele ihre Nüstern und weine mich an ihrem Hals aus. "Morgen geht's wieder los, meine Schöne, wir reiten nach Hause."

Mit roten Augen kehre ich ins Haus zurück, doch alles ist ruhig und scheint zu schlafen. Ich fange leise an meine Sachen schon mal zu packen um mich abzulenken, ehe ich irgendwann völlig übermüdet doch noch einschlafe.

Am nächsten Morgen sitze ich mit geschwollenen Auge am Frühstückstisch und bin recht schweigsam. Kaldrim ist schon auf, packt fröhlich seine Sachen und ist guter Dinge. Nach herzlicher Verabschiedung mit vielen Dankesreden an Perborat, machen Kaldrim und ich uns auf den Weg nach Osten. Ich drehe mich nicht mal mehr um als wir Kuslik verlassen und schlucke meinen Kummer hinunter ohne auch nur eine Träne zu vergießen.

Gegen Nachmittag hebt sich meine Laune langsam wieder, dank Kaldrim, der unermüdlich versucht mich aufzuheitern. Als wir die Weggabelung nach Arivor erreichen, denke ich an Ardo und hoffe, dass es ihm gut geht. Ich denke auch an Ragnar und wir beide philosophieren über das was er wohl gerade so treibt. Ob er über Büchern brütet oder sich mit seiner Sippe auf dem Meer herumtreibt und brandschatzt. Wir lachen beide und die nächsten 10 Tage vergehen wie im Flug bis Punin, ehe wir beide auch Abschied voneinander nehmen. Ein letztes Mal halte ich den kleinen Zwerg fest in den Armen, wünsche ihm alles erdenklich Gute und wünsche uns beiden ein baldiges Wiedersehen, doch bis dahin eine friedvolle Zeit.

Ich reite weiter nach Osten, durchreise den Rashtulswall und komme in den warmen Süden. Kaldrim muss verrückt sein, ausgerechnet im Winter in den Norden zu reiten, aber was sollst. Er wird schon wissen was er tut....