Freitag, 17. Juli 2015

Irgendetwas stimmt hier nicht

30. Ingerimm 1015 BF

Müde, schlapp und kraftlos schleppen wir uns weiter durch den fahlen Morgen, alles wirkt farblos und grau, immer noch kommen uns Tiere entgegen. Wir haben das Gefühl, dass unsere Fingernägel und Hautbehaarung schneller nachwachsen. Doch vielleicht täuschen wir uns auch nur. Meine rechte Körperseite schmerzt und ich fühle wie meine Verbände nässen. Schweiß steht mir auf der Stirn und ich fühle mich elend, doch wenn ich mich umschaue so scheint keiner sich wohl zu fühlen und ich schiebe es auf die Umgebung. Was bei den Niederhöllen ist hier eigentlich los?

Wir reiten weiter Richtung Norden und richten uns an einer Abzweigung weiter östlich nach Dragenfeld. Die Totenstille ist bedrückend. Nicht einmal ein Windhauch ist zu spüren oder zu hören. Mutter Linai sieht immer schlechter aus und auch mich schmerzt meine Wunde immer mehr. Ich rieche den Eiter unter meiner Bluse, doch was kann ich derzeit schon daran ändern. Ich höre kein Wasser rauschen, kein Bächlein plätschern. Würde ich Wasser finden, könnte ich mir die Wunde wenigstens auswaschen. Doch stattdessen steht mir der Schweiß auf der Stirn und ich reite weiter wie in Trance. Die Pferde werden immer unruhiger. Wir sehen immer öfter Kadaver von alten Tieren am Wegesrand liegen. Die Umgebung wird immer unwirklicher. Trotz des frühen Sommers sieht alles aus wie kurz vorm Wintereinbruch. Das Gras ist braun und die Bäume verlieren ihr altes braun-gelbes Laub. Wir steigen ebenfalls ab und, immer schwächer werdend, führen wir unsere Pferde weiter, die sich immer heftiger weigern weiter zu gehen. Ragnars Pferd geht ihm durch und rennt nach Südwesten davon. Ich halte an, sattle Soraya ab, nehme ihr das Zaumzeug ab und lege all meine Sachen unter ein Gebüsch, außer das Nötigste, einschließlich Rüstung und Waffen. Kaum lasse ich sie los, galoppiert auch sie davon. Ich hoffe ich werde sie irgendwann wieder finden. Ardo und Kaldrim können ihre Rösser ebenfalls nicht länger bändigen und auch ihre Pferde suchen das Weite. Ardo ist geknickt. All sein Hab und Gut ist mit seiner Stute davon geprescht. Er fordert uns auf weiterzuziehen, während er sich auf die Suche nach seinem Pferd macht. Wir treffen uns in drei Tagen in Dragenfeld, lautet sein Vorschlag und erschöpft machen wir uns ohne Ardo weiter auf den Weg. Meine Rüstung wird immer schwerer und ich lasse Helm und Tuchrüstung einfach während dem Laufen fallen. Fäden lösen sich von meiner leichten Kleidung und meine Stiefel sind schon durchgewetzt. Die Straße verändert sich und alte Holzbohlen, schon teils morsch und am Zerfallen, liegen uns zu Füssen. Wir machen Rast, da keiner von uns noch fähig ist weiter zu gehen. Mutter Linai sieht sehr geschwächt aus und während Kaldrim sich auf die Suche nach Feuerholz und Wasser macht, bemerkt Ragnar mein schmerzverzerrtes Gesicht und sieht sich meine Wunde genauer an. Der von Eiter durchnässte Stofffetzen lässt sich kaum von der Wunde ziehen. Gelblich-rote Wundränder deuten auf einen heftigen Wundbrand hin. Kaldrim kommt mit Wasser zurück und macht ein Lagerfeuer, während Ragnar mir einen Stock zwischen die Zähne schiebt und anfängt meine Wunde zu reinigen und sie mit Premer Feuer desinfiziert. Ich beiße stöhnend auf den Stock, während mir vor Schmerz fast die Sinne schwinden. Da die Pferde weg sind, hat keiner von uns irgendwelches Verbandsmaterial und Kaldrim opfert seinen Umhang für mich, den Ragnar in Streifen schneidet, mit Premer Feuer tränkt und mir einen neuen Verband macht. Erschöpft sinke ich in einen traumlosen fiebrigen Schlaf. Ich wache auf, als Kaldrim nach Mutter Linai ruft und über Ragnar kniet. Der Hüne röchelt atemlos im Schlaf und es bildet sich eine große Blutlache unter ihm. Ich versuche mich aufzurichten und sehe, dass Mutter Linai einen Segen spricht. Kurz danach hört man Ragnar tief Luft holen und er erwacht. Mutter Linai fällt fast in Ohnmacht, so sehr hat sie der Segen angestrengt. Wir scheinen alle am Ende unserer Kräfte zu sein. Ich sinke wieder in meinen Fieberschlaf, doch plötzlich werde ich von Kaldrim wachgerüttelt. Wir hören Geräusche aus nördlicher Richtung. Aber sie kommen nicht näher und wir entscheiden nichts zu unternehmen. Unsere Reise fordert ihren Tribut und uns allen fallen früher oder später die Augen zu.