Sonntag, 19. Juli 2015

Nächtlicher Besuch

29. Travia 1016 BF

Mitten in der Nacht werde ich plötzlich von Ragnar geweckt. „Pass auf Walfried auf, rasch“, raunt er mir nur zu und verschwindet. Ich rappel mich auf, gehe in Walfrieds Zimmer und rüste mich Stück für Stück schlaftrunken. Ich höre Kaldrim und Ragnar das Gasthaus verlassen und auch Ardo höre ich kurz danach den Gang hinunterlaufen. Kurze Zeit später kommt Kaldrim angerannt, schnappt seinen Fellumhang und bittet mich ihm zu folgen. Ich vergewissere mich, dass Walfried fest schläft, verriegele das Fenster und renne Kaldrim hinterher, während ich mir auf dem Weg nach unten den Fellumhang umwickele. Was bei den Zwölfen haben die nun schon wieder vor, mitten in der Nacht bei dieser Kälte?! Als ich nach draußen gelange, sehe ich wie Ragnars und Ardos Gestalten gerade im Schneegestöber verschwinden, während ich mit Kaldrim hinterhereile. Als ich ihn befrage, was eigentlich los sei, erzählt er mir, dass eine Gestalt an seinem Fenster gesessen habe, doch als er erwachte, sei es verschwunden und wir versuchen es zu jagen. Wir folgen den Fußspuren der anderen beiden im Schnee, doch Kaldrim stolpert immer wieder und strauchelt. Er sieht noch schlimmer aus als gestern. Dunkle Augenringe haben sich in sein Gesicht gefurcht. Er schnauft atemlos und keucht schon fast. Wir fallen immer weiter zurück. Der Schnee ist tief und seine kurzen Beine kämpfen sich durch den Schnee. Kaldrim bricht zusammen und fällt in das eisige Nass. Ich kann ihn hier unmöglich liegen lassen. Ich zerre ihn hoch und schleife ihn mit mir. Die Spuren der anderen sind deutlich zu erkennen und so schleppen wir uns weiter und weiter. Ich ziehe Kaldrim mehr mit mir, als dass seine Füße ihn selbst zu tragen vermögen. Immer wieder kämpft er sich einige Zeit voran um kurze Zeit später wieder zu straucheln. Unsere Kleidung ist völlig durchnässt. Große Schneeflocken rauben uns die Sicht, doch kämpfen wir uns weiter durch den Schnee. Umzukehren kommt nicht in Frage. Wir werden einfach ihren Spuren folgen. Wir laufen nun schon Stunden.

Plötzlich liegt Feuergeruch in der Luft und wir eilen weiter. Mittlerweile geht die Sonne langsam auf und von Weitem können wir ein Flackern zwischen den Bäumen erkennen und kommen endlich atemlos an ein Gut. Das Haupthaus steht in Flammen und ich erkenne zwei Schatten davor stehen. Den Größen nach zu urteilen sind es, den Göttern sei Dank, Ragnar und Ardo. Ragnar erzählt uns, dass wir auf dem Hof von Peldor sind, der kleine Junge der uns als Räuberhauptmann überfiel, und er sei auch derjenige, den wir verfolgten. Doch sei er nicht mehr er selbst gewesen, sondern habe sie angegriffen. Sein Gesicht war eine Fratze, seine Zähne waren Reißer und sein Fauchen war das eines Tieres. Ragnar nennt das Geschöpf Bloedsugar, eigentlich Gestalten aus Geschichten und Sagen, ob es sie leibhaftig gibt ist in Frage zu stellen. Nur das Licht scheute es, Waffen und Zauber waren nutzlos. Sie haben dieses Etwas ins Morgenlicht getrieben, bei dem es jämmerlich verbrannte.

Im Haupthaus haben sie den leblosen Vater im Bett gefunden und deshalb das Haus angezündet. Die Mutter scheint mit ihrem Schwächeanfall unversehrt in Sicherheit gebracht worden zu sein, doch wenn ich mir Kaldrim so anschaue, so fühlt er sich ebenfalls schwach und Peldor hat vielleicht versucht auch seine Mutter zu töten. Diese Dinger scheinen den Menschen ihre Kraft zu nehmen bis zum Tod. Mich schauderts.

Ardo schickt uns zurück. Er habe hier noch etwas zu erledigen und sein Tonfall duldet keine Widerworte. So machen wir drei uns auf den Weg zurück nach Anderath. Nach wenigen Stunden trägt uns der Wind Ardos Stimme durch den Morgen und er folgt uns strammen Schrittes mit gepredigten Gesängen. Kurze Zeit später hat er uns eingeholt. Enthusiastisch schmettert er die letzten Worte seiner Choräle und begrüßt uns lächelnd.

Als wir am Gasthaus ankommen ist es schon später Vormittag. Wir bekommen noch ein deftiges Frühstück und stärken uns erst einmal. Walfried schläft noch immer seinen Rausch aus.

Als wir die Wirtin befragen, ob sie denn etwas von seltsamen Vorkommnissen weiß, erzählt sie uns von einer Mutter, die mit ihrem Kind südlich von Baliho in Keilersfried in einem See gefunden wurde. Ihre Körper seien völlig zerfetzt gewesen. Ebenso soll in Schnakenteich ein Jäger mit seinem Hund tot aufgefunden worden sein, ebenfalls völlig niedergemetzelt. Als wir nach dem Essen Walfried wecken, kann dieser uns noch berichten, dass der Jäger in seiner Hütte übelst zugerichtet aufgefunden wurde. Wir lassen ihn ziehen, da es uns sicherlich nicht weiter bringt, wenn er uns die Stelle mit dem Ork zeigt, da der Vorfall eh schon viel zu lange her ist. Wir entscheiden uns erst nachts wieder weiter zu reisen, auch wenn mir nicht ganz wohl dabei ist, mich auch noch auf einem Tablett zu servieren, aber ich füge mich. Ardo sucht noch den hiesigen Rondratempel auf, doch keiner kann uns weiterhelfen. Die Geweihten gehen alle von marodierenden Orkbanden aus, die hier ihr Unwesen treiben.

Wir legen uns schlafen und lassen uns von der Wirtin erst bei Sonnenuntergang wieder wecken. Nachdem wir uns nochmal tüchtig satt gegessen und uns reisefertig gemacht haben, brechen wir Richtung Westen auf. Kaldrim und ich sitzen wieder in der Kutsche, als diese auf Ardos Befehl hin plötzlich anhält. Irgendetwas stimmt nicht und ehe wir uns versehen, hören wir nur einen Pfeil sirren und hören noch wie Boris vom Kutschbock kippt. Ich springe heraus, eile hinter die Kutsche, binde Soraya los, rede auf sie ein, damit sie nicht fort läuft und gehe in Deckung. Ardo löst eine Lampe von der Kutsche und reitet in die Richtung aus der der Pfeil kam. Am Waldrand wirft er die Öllampe ins Unterholz und kann gerade noch im Aufflammen des Öls einen flinken menschlichen Schatten erkennen, der aber blitzschnell in der Dunkelheit verschwindet. Wir schauen nach Boris, dessen Schädel von einem Pfeil komplett durchschossen wurde. Der Pfeil ist von einem Langbogen und es ist kein orkischer Pfeil. Wir einigen uns, Boris bis zum nächsten Weiler mitzunehmen um ihn angemessen beerdigen zu lassen und Kaldrim und ich versuchen die Kutsche zu lenken. Nachdem ich kläglich scheitere und die Pferde keine Anstalten machen weiterzugehen, nimmt Kaldrim die Zügel und es klappt. Mitten in der Nacht gelangen wir nach Laienhaus und finden einen Traviatempel. Nach langem eindringlichen Türklopfen gewährt die hiesige Geweihte uns Einlass.