Freitag, 17. Juli 2015

Vergebung

5. Tsa 1011 BF

Als wir in Anchopal ankommen, suche ich mir eine Herberge, esse und trinke nochmals tüchtig und verabschiede mich von Kaldrim und Ardo. Danach mache ich mich auf den Weg zum Rondratempel.

Ich betrete die Tempelhalle der Rondrakirche durch den üblichen Seiteneingang, wasche mir Hände und Gesicht in der dazu vorgesehenen Wasserschale, schreite langsam Richtung Mitte und gehe auf die Knie. Ruhig betrachte ich die Glut des Glutbeckens, die Wandbilder vergangener Schlachten und ich schließe die Augen und beginne zu beten…

Göttin Rondra, ich möchte um deine Vergebung bitten. Ich habe dir lange den Rücken zugekehrt, weil ich mich von dir verlassen fühlte. Du hast zugelassen, dass alles was ich liebte mir genommen wurde. Du hast meine Mutter zu dir geholt und die Männer die ich liebte. Allesamt gute Kämpfer. Du hast mich geschwächt, als ich den Arm verlor und doch hast du mich nicht zu dir geholt, sondern hast mir die Kraft gegeben meine alte Kampfesstärke wieder zu erlangen. Du hast mir in Al Anfa zur Seite gestanden und doch kam ich mir betrogen vor in Maraskan. So viele gute Menschen wurden sinnlos abgeschlachtet auf der Insel, dass ich einfach nicht glauben konnte, dass du mich so schreckliche Qualen erleiden lässt. Ich selbst habe ehrlose Söldner getötet und zweifelte mehr denn je an deiner Göttlichkeit. Doch wenn ich darüber nachdenke hätte dein Sohn seine wahre Freude daran gehabt. Ich glaubte an Wiedergeburt, weil ich Trost darin fand, doch wie konnte ich nur so an dir zweifeln. Wir haben Schreckliches erlebt und doch knie ich hier demütig vor dir und bin am Leben. Du legtest mir schwere Prüfungen auf, die ich nicht verstand und doch schicktest du mir einen deiner Getreuen um mir die Augen zu öffnen. Ich habe deine Macht gespürt an den Hängen des Wal-el-Khômchra und ich sah wie du deine schützende Hand über Ardo hieltest.
Liskom ist zurück, was die Götter sicherlich erzürnt und wenn er es schafft den Dämonenmeister zurückzuholen, so werden die Götter uns führen ihm wieder Einhalt zu gebieten. Nun weiß ich warum ich noch auf Dere gebraucht werde. Deine Prüfungen waren hart, aber sie stählten mich. Mein Kummer und Leid war groß, doch du hast mich wieder zu dir geführt, damit ich meinen Glauben wieder finde. Vergebe mir meine Zweifel und führe mich weiterhin unter deinem Schutz. Wie konnte ich nur so blind sein und nicht erkennen, dass du mich immer beschützt hast. Vergebt mir, oh große Leuin.


Tränen laufen über meine Wangen, doch ich schäme mich ihnen nicht. Vier Jahre voller Angst, Verzweiflung und Glaubenskrisen fallen von mir ab und ich ziehe den maraskanischen Dolch aus meinem Stiefel und lege ihn in eine der Opferschalen.

Dieser Dolch ist ein Teil meiner Vergangenheit, dieser Dolch ist ein Teil meiner Liebe zu einem Mann dessen Tod mir viel Schmerz bereitet hat, dieser Dolch ist aber auch eine Waffe der Hinterlistigen, doch ich vertraue nun auf deinen Schutz und solltest du mich eher zu dir holen, so sei es mir eine Ehre.

Ich knie wieder nieder und verbringe die ganze Nacht im Gebet ohne Essen und Trinken.

Meine Herrin!
Dir will ich gehören ganz und gar, vor Dir senke ich Schild und Waffe, in Deine
Hände gebe ich mein Leben und opfere Dir alles, was ich heute und mein ganzes
noch übriges Leben Gutes tun und Widerwärtiges erleiden werde. Dies alles soll
geschehen zu Deiner Ehre.
Zugleich widersage ich von neuem dem namenlosen Feinde und
allen seinen Werken, und will Dich freiwillig mit keiner Schande beleidigen.
Segne aber, o Herrin, diesen meinen Vorsatz, damit ich ihn treu erfülle, und gib
mir Kraft, dass ich heute und mein künftiges Leben nicht in die Fehler
zurückfalle, zu welchen mich meine Neigungen und Gewohnheiten so oft verleitet
haben.
Dein Wille sei mein Befehl

Heilige, geliebte Frau Rondra, strahlende Göttin,
gib mir Mut und Kraft, Mut und Kraft der Leuin,
damit Deine Macht in meinem Herzen lebt.
Heilige, geliebte Herrin Rondra, strahlende Göttin,
schenk mir Deinen zornigen Blick, den Blick der Leuin,
damit Dein Zorn aus meinen Augen schaut.
Heilige, geliebte Frau Rondra, strahlende Göttin,
gewähr mir Deine Liebe, die Liebe der Löwin,
damit ich nicht fehlgehe und Deinem Weg folge.
Denn Dein sind mein Schwert und mein Leben,
solange mein Herz schlägt.
Sei mit mir, Strahlende, damit einst der Ruf an Deine Tafel mich ereilen mag.


Als der Morgen dämmert und ich die Schmerzen in meinen Knien schon nicht mehr spüre, versuche ich mich aufzurappeln. Nach einiger Zeit, nachdem das Blut wieder in meine Füsse zurückkehrt ist, verlasse ich den Tempel und begebe mich wieder auf die Straße nach Süden. Ich werde nach Borbra gehen und Augen und Ohren offen halten. Ich werde Tarlisin um Hilfe und Arbeit bitten und mir ein Haus bauen. Auf dass ich das Erlebte nicht vergesse mit der Gor im Rücken und die Schönheit des Südens geniesse mit dem glitzernden Mhanadi im Sonnenlicht vor mir. Ein Lächeln drängt sich mir auf und ich marschiere mit Hoffnung im Herzen nach Süden.