Sonntag, 19. Juli 2015

Waldemar, der Bär

25. Travia 1016 BF

Je weiter wir in den Norden kommen umso kälter wird es. Der Winter kommt auffällig früh dieses Jahr nach Weiden, sagen die Dörfler. Der graue Himmel lässt uns Niederschlag erwarten, es ist kalt, Raureif bedeckt die Wiesen, die großen Rinderherden sind verschwunden und der Atem gefriert uns vor den Mündern. Dank der Einladung des Herzogs hatten wir auf der Reise keinerlei Probleme. Es beginnt zu schneien. In weiter Ferne können wir die Salamandersteine erkennen und vor ihnen liegt der Neunaugensee. Als wir nach Trallop kommen, erwartet uns eine ähnliche Stadt wie Wehrheim. Doch nicht so geordnet, sondern vom Pandlaril durchzogen. Mehrere dicke Steinmauern mit vielen Toren schützt die Stadt, die als letzte Grenzfeste das Mittelreich vor Goblins und Orks schützen soll.

Trutzige Burganlagen, tiefe Gräben und Befestigungsanlagen umgeben uns, als wir in die Stadt vorgelassen werden. Es stinkt nach Unrat, Matsch und Schlamm. Massen von Menschen sind auf den Straßen. Viele Flüchtlinge vom Orkensturm suchen nach Schutz. Wir sehen viele Soldaten, wie auch Krüppel, weinende Frauen und bettelnde Kinder. Der Krieg hat seine Spuren hinterlassen.

Wir reiten weiter Richtung Bärenburg. Drohende Wasserspeier schauen vom riesigen Tor auf uns herab und ein Rundhelm fragt nach unserem Begehr. Nachdem wir unsere Einladungen vorgezeigt haben, wird uns das Tor geöffnet und wir gelangen durch mehrere Höfe, ehe wir in den Innenhof gelangen. Einige Rekruten üben mit Holzschwertern und einige Übungsgeräte für berittenen und unberitten Kampf stehen im Hof. Ein Stallknecht nimmt sich unserer Pferde an und wir steigen die mächtige Treppe zum Haupthaus hinauf. Vor einer riesigen doppelflügigen Tür steht ein Kratzeisen, an dem wir unsere Stiefel säubern ehe wir eintreten. Ein Fetttiegel zur Stiefelpflege steht daneben. Wir gelangen in einen Vorraum und eine Magd öffnet mit einem Seilzug eine große Tür die zum Thronsaal führt. Wärme schlägt uns entgegen und wir gehen hinein. Eine große Halle in der fröhlich ein Kamin vor sich hinprasselt, empfängt uns. Ein bollernder Ofen in der Mitte des Raumes strahlt ebenfalls Wärme aus. Eine Dame von Stand sitzt in einer Ecke mit ein paar Mägden an Spinnrädern, während ein junges Paar gemeinsam aus dem Fenster schaut. An einer langen Holztafel sitzt am Kopfende ein recht kräftiger Mann über den Tisch gebeugt. Sein Kopf ist mit einem dicken Tuch bedeckt und er hustet, röchelt und rotzt in die dampfende Schüssel unter ihm.

Während Kaldrim gleich höflich der edlen Dame am Spinnrad seine Aufwartung macht, begebe ich mich extra laut auftretend zur Tafel und räuspere mich lautstark. Das Tuch fliegt weg und ein großer bärtiger Kopf erscheint darunter. Seine rote Nase läuft stetig weiter, während seine rotunterlaufenen Augen tränen, aber er ist sichtlich erfreut uns zu sehen. Der kräftige, bärtige Haudegen macht seinem Beinamen alle Ehren. Waldemar der Bär wird er hierzulande genannt, und nichts beschreibt ihn passender. Nach einer herzlichen Begrüßung mit heftigem Händedruck, lässt er uns Essen reichen. Ein Page bringt ein Tablett mit Brot und Knoblauch. Während ich hungrig mein Brot ohne Knoblauch verschlinge, sehe ich noch wie Waldemar sich den Knoblauch aufs das Brot reibt und nur kurz abbeißt um es dann wieder zurückzulegen. Er fordert uns auf, uns erstmal mit einer warmen Mahlzeit zu stärken, ehe er uns auf die Zimmer bringen lässt. Gegen Abend werden wir dann zum Abendmahl erwartet und alles Weitere soll erst dann besprochen werden. Dann verlässt er uns und wir bekommen eine starke Rinderbrühe, Brot und Bier serviert. Der Truchsess beehrt uns und gibt jedem von uns die versprochenen Reiseunkosten von zehn Dukaten, die jeder von uns eifrig einsteckt, bis auf Ardo, der den Truchsess bittet, die Hälfte davon dem hiesigen Rondratempel zu stiften. Nach dem Essen betritt Hofmarschall Dankwart von Weisenstein den Saal und lässt uns von Mägden auf unsere Zimmer geleiten.
Als ich das Zimmer betrete, fühle ich mich fast schon unwohl, so edel sieht hier alles aus. Ein gut beheizter Raum empfängt mich. Ein Kohlebecken steht in einer Ecke, daneben liegen einige Tannenzapfen und eine saubere Waschschüssel steht auf einem Tisch. Das Bett ist mit feinem Linnen bezogen. Als ich mitbekomme wie ein großer Badezuber in Kaldrims Zimmer gebracht wird, bitte ich ebenfalls darum und einige Zeit später sitze ich in dampfendem Wasser und merke wie die Wärme in meine durchgefrorenen Glieder zurückkehrt. Nach dem angenehmen Bad, ruhe ich mich noch ein wenig aus, mache mich zurecht und kehre pünktlich zum Abendmahl in die Halle zurück.
Diese hat sich verändert. Weitere Tische sind hinzugekommen. Die Halle ist festlich erleuchtet und auf den Bänken sitzt die Weidener Ritterschaft. Wir werden zum Tisch des Herzogs geführt und nehmen direkt an seinem Tisch Platz. Ein wahres Festmahl wird aufgetischt. Wildbret, allerlei Geflügel und sonstiges an Gaumenschmaus wird serviert und der Herzog, wie auch wir, langen kräftig zu. Ab und an kommt ein Ritter an unseren Tisch, schnuppert an unserem Essen und wünscht uns freudig einen guten Appetit. Ich bin etwas verwundert, warum ein Fremder an meinem Essen schnüffelt, frage Ardo ob das hier Sitte sei und er bestätigt es. Ich beobachte ein wenig und tatsächlich macht man das hier wohl gegenseitig um dem anderen Respekt zu zollen, dass man ihm etwas Gutes zu essen wünscht. Seltsame Sitte. Kaldrim wagt es sogar am Essen des Herzogs zu riechen und ihm einen guten Hunger zu wünschen, worauf dieser ihm nur freundlich dankt. Welch Dreistigkeit.

Herzog Waldemar stellt uns seine Familie vor und erwartet danach unsere Vorstellung, der wir natürlich nachkommen. Nach dem Essen, als die Ritterschaft den Saal verlässt, werden auch alle Mägde verscheucht. Man stellt uns bequeme Sessel an den Kamin und während die Herzogin sich ans Spinnrad zurückzieht, setzt sich Waldemar zu uns in seinem Thron. Gespannt warten wir darauf, dass er uns sagt, warum wir eigentlich hier sind.
Er hat uns rufen lassen, weil er von unserer Arbeit in Dragenfeld gehört hat und da wir uns mit solchen Dingen ja auskennen, sollen wir uns nun der Sache annehmen. Erleichtert sinkt er zurück, in der Annahme sein Problem nun losgeworden zu sein. Wir alle schauen ihn verwundert an. Welche Sache !? Um was geht es überhaupt? Waldemar ist ebenfalls verwundert, ihm war nicht klar, daß wir nicht wissen um was es geht und er berichtet uns von den Beschwerden seiner Landsleute, dass um die Gegend von Baliho seit einiger Zeit Leute verschwinden, es seltsame Todesfälle gab oder gar Tote aus ihren Gräbern verschwunden sind. Da er niemanden hat, der sich dieser Sache annehmen kann, bittet er uns darum Nachforschungen anzustellen. Er würde uns selbstverständlich großzügig ausstatten und uns reichlich belohnen. Wir sagen selbstverständlich zu und nach einem gemütlichen, feuchtfröhlichen Abend vorm Kamin begeben wir uns alle zu Bett. Ich werfe noch einige der Tannenzapfen in das Kohlebecken und knisternd breitet sich ein wohliger Geruch im Zimmer aus und ich schlafe so gut wie schon lange nicht mehr.