Sonntag, 19. Juli 2015

Wehrheim

23. Rondra 1017 BF

Wir traben auf der gut ausgebauten Strasse Richtung Wehrheim. Gedankenverloren ruht Ardos Blick auf seinem Banner, das im Wind flatternd die Pranken des Löwen darauf aussehen lässt, als wenn er gerade seine Beute jagt. Als Kaldrim ihn auf seine Gedankenverlorenheit anspricht, erinnert sich Ardo an die Gefallen des Nordsturms. Er ist als letzter übrig geblieben und hat nun vor, als Hauptmann das Banner nach Arivor zurückzubringen. Er drängt langsam zur Eile und fällt in einen sanften Galopp, damit wir vor Einbruch der Dunkelheit noch Wehrheim erreichen. Ich dagegen, gebe Soraya ein wenig mehr Druck und sporne die anderen beiden zu einem Wettrennen an. Die Sonne im Gesicht, den Wind in den Haaren und den Duft des Sommers in der Nase, packt es mich plötzlich und ich galoppiere mit vollem Tempo abseits der Strasse in eine wilde Blumenwiese. Einen Moment lang, fühle ich mich wie ein junges wildes Ding, dass über die Wiesen und Felder Araniens galoppiert, sorgenfrei und voller Lebenslust und jauchzend breite ich die Arme aus und lasse Soraya zügellos rennen. Irgendwann bleibt sie schnaubend stehen. Ich tätschel glücklich ihren verschwitzen Hals und trabe sanft zurück zur den anderen beiden. Rotwanging strahle ich die beiden an, entschuldige mich für den kleinen Ausbruch und wir reiten zügig weiter.

Gegen Abend erreichen wir Wehrheim. Ardo hält uns an, den Wachwechsel abzuwarten, der sich gerade anbahnt und gebannt starre ich auf die wehrhafte Stadt, die im letzten Abendlicht und den vielen Schmieden im Inneren fast zu glühen scheint. Während ich den gleichmäßigen Schritten der Stiefel der Soldaten lausche, schweifen meine Gedanken plötzlich ab und ich versuche mich an Zorgan zu erinnern.

Vor meinem inneren Auge sehe ich die Feste der königlichen Zitadelle Krak al'Shah. Das Regiment der eisernen Tiger, gekleidet in blau und gelb, sie tragen Stangenwaffen und auf ihren Wappenröcken prangert das Wappen Zorgans, ein Palast unter einem liegenden Halbmond. Das schwere Fußvolk gehört zur kaiserlichen Garde und bewacht hauptsächlich die Festung und das Pilgertor, zuweilen auch die Grenzwacht im Süden. Der Zitadelle gegenüber droht die Feste Donnersturm, der Sitz des Ordens des Donners zu Zorgan. Ich sehe uns im Gleichschritt marschieren, sehe meine Mutter befehligen.... doch plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Ardo plötzlich weiter reitet und meine Gedanken verblassen. Es ist so furchtbar lange her...

Wir kommen am Anwesen der Familie Arres an und Ardo begrüßt seinen Vater schon von Weitem, der gerade im Hof sein Pferd absattelt. Als sich die beiden umarmen, fällt mir die unheimliche Ähnlichkeit der beiden auf. Sein Vater ist nicht viel älter als er und sie sehen fast aus wie Brüder. Mit seinen stahlgrauen durchdringenden Augen ist sein Vater immernoch ein durchaus attraktiver Mann. Er begrüßt mich freundlich und dankt mir für meine Sorge, als Ardo sühnte und dass ich ihn ihm zurückgebracht habe. Als ob es mein Verdienst wäre, dass er zurückkehrt, denke ich mir, doch nachdem ich Soraya versorgt habe, folge ich den Männern ins Haus.

Am Abend sitzen wir noch gemütlich beisammen und wir erfahren, dass Ardos Schwester vom Großinquisitor beauftragt wurde über Unterlagen und Prophezeiungen mehr herauszufinden, die vielleicht neue Informationen liefern könnten. Ardos Vater freut sich schon jetzt auf die letzte große Schlacht und mir wird klar woher Ardo seine unglaubliche ehrenvolle Kampflust hat. Er ist seinem Vater sehr ähnlich und ich muss schmunzeln.